Kieling, Wolfgang
Wolfgang Kieling (* 16. März 1924 in Berlin-Neukölln, † 7. Oktober 1985 in Hamburg)

Wolfgang Kieling wurde am 16. März 1924 als Sohn eines Handelsvertreters (nach anderen Quellen war der Vater Schneidermeister) in Berlin-Neukölln geboren. Schon als Kind trat er als singender "Ehren-Pimpf" bei einer NS-Feierstunde auf, anschließend hörte man "die schönste Knabenstimme Europas", wie es damals genannt wurde, im Kinderfunk als Wölfchen in der Sendung "Kunterbunt", auf der Bühne spielt er kleinere Kinderrollen. Später stand er nach Abschluss der höheren Schule und dem folgenden Schauspielstudium, dass er bei bei Albert Florath absolvierte, zunächst in der Provinz auf der Bühne; ab 1941 spielte er ein Jahr lang am Stadttheater von Luckenwalde, dann ging er an das Stadttheater Potsdamm.

1936 war Kieling mit zwölf Jahren erstmals auf der Leinwand zu sehen, spielte in "Kreuzersonate" den Sohn Lil Dagovers, dann den Christoph in dem längeren Spielfilm "Maria, die Magd" von Veit Harlan. Bis zu seiner Einberufung in die Wehrmacht 1942 agierte er in einigen weiteren Filmen, so unter anderem 1937 bei Jürgen von Alten in "Heimweh", 1939 wieder bei Harlan in "Reise nach Tilsit", 1941 bei Paul Martin in "Jenny und der Herr im Frack".

Während des Krieges wurde Kieling schwer verwundet, geriet in russische Gefangenschaft und begann nach seiner Entlassung 1949 zunächst als Synchronsprecher für Frank Sinatra und Paul Newman. Gleichzeitig setzte er seine Schauspielerkarriere fort und spielte an Berliner Bühnen im Ost- und Westteil der Stadt. Ab 1950 erlebte man ihn ein Jahr lang am "Hebbeltheater", anschließend bis 1953 an der "Tribüne" sowie gleichzeitig seit 1952 am "Schillertheater". Dann ging er für ein Jahr lang an das Stadttheater in Basel, 1955 bis 1957 spielte er bei der DDR-Filmgesellschaft DEFA in den Filmen "Genesung" (1955), "Damals in Paris" (1957) und "Betrogen bis zum jüngsten Tag".

Ab 1957 trat er an den Bühnen von Stuttgart, München und Köln, Essen und wieder Berlin auf. Zu seinen erfolgreichsten Bühnenrollen zählen beispielsweise der Shakespeare'sche "König Richard III.", der "Gessler" in "Wilhelm Tell", der "Ämilian" in Dürrenmatts "Romulus der Große", der Tshitschikow in Adamovs "Die Toten Seelen", sowie zahlreiche Titelrollen, unter anderem in Brechts "Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui" und "Leben Eduards II. von England", in Frischs "Don Juan" oder in Cocteaus "Bacchus".

In den 60er Jahren war Kieling in zahlreichen Stücken auf dem Bildschirm präsent und gehörte bald zum festen Bestandteil der Fernsehlandschaft. Vor allem mit seinen Rollen in Klassiker-Adaptionen wie 1963 als St. Just in Büchners "Dantons Tod", 1964 als Möbius in Dürrenmatts "Die Physiker" oder 1966 als Garcin in Sartres "Geschlossene Gesellschaft" machte sich der Schauspieler einen vielbeachteten Namen. Daneben spielte er Rollen in Krimi-Serien, wie ab Mitte der 60er Jahre in "Kriminalmuseum", "Tatort" (1972: Strandgut; 1979: Schweigegeld) oder "Dem Täter auf der Spur" (1972: Tod in der Maske).

Der Schauspieler agierte in der Folgezeit in unzähligen Filmen und unterschiedlichsten Rollen und entwickelte sich zu einem der profiliertesten Darsteller im Film - ein Mann, der mit bleichen Zügen und einem müden Zucken um die Mundwinkel auch schwierigste Rollen meisterte. Auf Masken und Verkleidungen war er selten angewiesen und vermochte auch schwachen Texten und Figuren auf phantasievolle Weise Leben einzuhauchen. So sah man ihn 1957 als Gefreiter Lick in "Betrogen bis zum jüngsten Tag", einem Kriegsfilm nach einer Novelle von Franz Fährmann. Danach spielte er 1960 bei Dietrich Haugk den Philip in "Agatha lass das Morden sein", für seine Darstellung des Hauptwachtmeister Glantz in Jürgen Rolands Krimi "Polizeirevier Davidswache" (1965) erhielt Kieling den Bundesfilmpreis; in Kurt Hoffmanns "Das Haus in der Karpfengasse" war er 1965 der Karl Marek.
1966 wurde der Schauspieler auch einem internationalen Publikum ein Begriff: In dem Hitchcock-Thriller "Torn Curtain" (Der zerissene Vorhang) spielte er neben Paul Newman den Stasi-Geheimagenten Hermann Gromek und die Szene, wo Kieling einen jämmerlichen Leinwand-Tod im Gas-Backofen starb, ging in die Filmgeschichte ein.
Im März 1968 ging Kieling aus Protest gegen die gesellschaftlichen Verhältnisse in der Bundesrepublik sowie die Vietnampolitik der Amerikaner in die ehemalige DDR zurück, wo er bis 1971 blieb; Kieling erhielt den Sonderstatus, im Westen ebenfalls arbeiten zu dürfen und feierte während dieser Zeit unter anderem Erfolge in der Fallada-Verfilmung "Jeder stirbt für sich allein" (1970) oder als Godoy in Konrad Wolfs "Goya - oder Der arge Weg der Erkenntnis" (1971). Zurück in der Bundesrepublik sah man ihn u. a. 1973 als Alfred Bergmann in "Im Reservat", 1979 bei Alf Brustellin in "Der Sturz", 1983 bei Norbert Kückelmann als Watergate in "Morgen in Alabama" sowie 1984 in der Glanzrolle des Gössmann neben Götz George in Carl Schenkels Aufzug-Thriller "Abwärts". Erwähnenswert ist auch seine Darstellung des brillanten Biochemikers Professor Gunström in dem abenteuerlichen TV-Mehrteiler "Patrik Pacard" an der Seite von Hendrik Martz in der Titelrolle; auch in verschiedensten "Tatort"-Folgen und der Serie "Sonderdezernat K1" trat er wiederholt auf.

Für seine Rolle als alternder Transvestit in dem Fernsehspiel "Das Reservat" (1973) erhielt Kieling ein Jahr später den "Grimme-Preis in Gold", er war Mitglied der Deutschen Akademie der Künste, deren Fernsehpreis er 1974 erhielt.
Neben seiner Karriere als Charakterdarsteller gehörte Kieling immer zu den prominenten Synchronsprechern: Freddie Bartholomew, Kirk Douglas, Paul Newman, Marcello Mastroianni sind nur die bekanntesten Stars, die von ihm synchronisiert wurden; außerdem war er von 1973 bis 1985 die deutsche Stimme des Bert aus der "Sesamstraße".

Wolfgang Kieling war seit 1952 mit Gisela Uhlen verheiratet, von der er sich 1957 wieder scheiden ließ; aus der Verbindung stammt die 1955 geborene bekannte Schauspielerin Susanne Uhlen. Von Jola Jobst, Gisela Uhlen und Johanna Göllnitz geschieden, heiratete er 1970 in der DDR die junge Schauspielerin Monika Gabriel; diese Ehe wurde zwar 1975 auch geschieden, doch lebte das Paar später wieder zusammen. Aus seiner Beziehung mit der Schauspielerin Ingrid Rentsch stammt Sohn Florian Martens (geb. 1958), der inzwischen auch zu den führenden deutschen Schauspielern gehört.

Wolfgang Kieling verstarb am 7. Oktober 1985 mit 61 Jahren nach einer Magen-Operation, der er sich aufgrund seines Krebsleidens unterziehen musste, in Hamburg.

Wolfgang Kieling war in der folgenden Derrick-Folge zu sehen:
Folge 1: "Waldweg" als Herr Manger